Was ist Osteopathie?

Ursprünge der Osteopathie

Begründet wurde die Osteopathische Medizin durch den amerikanischen Arzt Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917).

Dr. Still beobachtete und behandelte Veränderungen des Bewegungsapparates (griech.: Osteos = Knochen, Bewegungsapparat) bei seinen Patienten (griech.: Pathos = Leiden, Beschwerden) und leitete daher den Namen Osteopathie ab (Hinkelthein und Zalpour 2012).

Deswegen wird der Begriff Osteopathie häufig mit „Knochenkrankheit“ übersetzt, was dem Konzept und dem Behandlungsumfang der Osteopathie jedoch bei weitem nicht gerecht wird.

Der Osteopath untersucht nämlich alle Strukturen und Regionen des Körpers und sieht  dabei die Haut als ein wichtiges Organ, welches zentrale Aufgaben hat. Außerdem berücksichtigt er das Bindegewebe, Faszien (VOD 2019), Knochen, Muskeln und die inneren Organe mit in seine therapeutische Arbeit ein.

 

Prinzipien der osteopathie

Mit der Begründung der Osteopathie formulierte A.T. Still vier Prinzipien, welche bei der Behandlung eines Menschen grundlegend im Denken und Handeln des Therapeuten integriert sein sollten:

1. Einheit des Körpers

Die Regel, den Körper als Einheit zu betrachten, basiert auf der Erkenntnis, dass alle Strukturen in unserem Körper wie Muskeln, Organe, das Skelett und das Nervengewebe miteinander zusammenhängen und dadurch im gegenseitigen Austausch stehen.

Die Struktur, welche alles in dem System « Körper » miteinander verbindet, kann vereinfacht als Bindegewebe bezeichnet werden (Hermanns 2007). Ein weiterer mittlerweile geläufiger Begriff dafür sind die Faszien. Wie eine Art Spinnennetz verbinden und verspannen sie alle Strukturen des Körpers miteinander. Sie umgeben jede Form, sodass beispielsweise eine Bewegung des Magens bis hin zur Nasenwurzel nachweisbar ist.

Diese Erkenntnis führt zwangsläufig zu dem Schluss, dass wahrgenommene Symptome oder Beschwerden in einer bestimmten Region des Körpers ihren eigentlichen Ursprung in einer Dysfunktion eines ganz anderen Teils des Körpers haben können.

 

2. Regel der Arterie

Die Regel der Arterie besagt, dass überall dort, wo die Hämodynamik bzw. der Blutfluss gut funktioniert, Gesundheit ist.

Das Durchströmen des Blutes in unserem Körper erfüllt eine beeindruckende Vielzahl an Funktionen. Dazu zählen der Transport unserer Atemgase (Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid), der Transport von Nährstoffen, der Transport von Botenstoffen (z.B. in Form von Hormonen), der Abtransport von Schadstoffen und Stoffwechselendprodukten, die Temperaturregelung, die Pufferfunktion zur Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Körper, die Blutgerinnung bei Verletzungen und die Abwehrfunktion gemeinsam mit dem Immunsystem.

 Die Aufzählung macht deutlich, dass eine Funktionsstörung oder gar ein Ausfall eines dieser Systeme zwangsläufig zu einer Erkrankung führt, weil nur noch eine unzureichende Versorgung des betroffenen Körperteils besteht.

 Für den Osteopathen ist es deshalb zentral, im gesamten Körper einen ungestörten Blutfluss herzustellen. Der Osteopath von heute schließt dabei den Fluss aller Körperflüssigkeiten mit ein: das Blut in Venen und Arterien, die Flüssigkeit im Lymphsystem, der Liquor in den Liquorbahnen und zwischen den Hirnhäuten, sowie das Interstitium als Flüssigkeit im Bindegewebe.

 

3. Selbstheilung

Unter Selbstheilung versteht man die Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu regenerieren. Einfachstes Beispiel dafür ist ein Schnitt in die Haut mit einem Messer. Nach anfänglicher Blutung verkrustet die Wunde, sie schließt sich, es bildet sich neue Haut und die Verletzung heilt schließlich ohne weiteres äußeres Zutun ab. Die Haut hat sich regeneriert.

Dieser Prozess kann im ganzen Körper beobachtet werden und ist der ausschlaggebende Vorgang, den der Osteopath mit seiner Methode zu unterstützen versucht.

 Er mobilisiert unbewegliche Strukturen, verbessert durch die Aufhebung von Blockaden die Beweglichkeit und sichert somit ein gutes Fließen der Körperflüssigkeiten. Dadurch soll dem Körper beispielsweise ermöglicht werden, entzündete Regionen mit seinem Immunsystem erreichen zu können. Bildlich gesprochen pflastert der Osteopath den Weg, aber der Körper muss selbst gehen.

 

4. Bedeutung von Funktion und Struktur

 Um dieses Prinzip zu erläutern, kann als einfaches Beispiel der Muskel gewählt werden. Wird ein Muskel bewegt / trainiert, also in der Funktion gesteigert, wächst er und wird größer. Dieser Prozess wird Hypertrophie genannt und stellt die Veränderung der Struktur dar. Ist das Gegenteil der Fall (z.B. bei Bewegungsmangel) – wird der Muskel immobilisiert und in seiner Funktion eingeschränkt, er schrumpft, wird dadurch kleiner und atrophiert – die Struktur verkleinert sich.

Dieses Prinzip gilt nicht nur für den Muskel, sondern auch für andere Gewebe, Organe und letztlich für den ganzen Körper.

 Die Funktion eines Organs ist abhängig von der eigenen Struktur, aber auch von der Struktur der Organe die es umgeben und mit denen es in einem funktionellen Verband zusammenarbeitet.

Der Darm beispielsweise funktioniert nur dann gut, wenn seine eigene Struktur « stimmig » ist, d.h., mit den Vorgaben des Körpers in Einklang steht. Es dürfen beispielsweise keine Aussackungen, sogenannte Divertikel vorliegen. Aber auch die Bauchhöhle, die Durchblutung und die Leber sowie die Bauchspeicheldrüse müssen ihre Funktion erfüllen, damit der Darm gemäß den « Regeln » der Biologie funktionieren kann.

Alle Strukturen und Funktionen beeinflussen einander und stehen in einem gegenseitigem Abhängigkeitsverhältnis.

Der Körper in seiner Anatomie und Physiologie bildet eine Einheit mit der Psyche. Ist eine Funktion gestört, so versucht der Körper zu kompensieren.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: in einer Wandaussackung des Darms können sich Keime und Darminhalte ablagern und zu einer Entzündung führen (Divertikulitis).

Eine Entzündung ist gekennzeichnet durch die Symptome Schwellung, Schmerz, Erhitzung und Rötung. Der Körper reagiert mit einer Funktionseinschränkung, um den gefährdeten Bereich zu schonen.

Der Darm wird an dieser Stelle unbeweglich (hypomobil) und der Körper kompensiert an einer anderen Stelle. Gelingt ihm dies, so ist die Kompensation effektiv und die Verdauung funktioniert weiter.

Gelingt ihm dies nicht, so wird die Verdauung beeinträchtigt und die umliegenden Strukturen werden in Mitleidenschaft gezogen.

Eine Häufung von Divertikeln liegt am Ende des Dickdarms, dem Sigmoid (Schweitzer 2011). Dieses liegt in der linken Beckenschaufel und kann durch die Entzündung und Hypomobilität die Funktion der Hüfte und des Beckens negativ beeinflussen.

Diese Funktionseinschränkung kann zu Statikveränderungen und Fehlbelastungen des muskolo-skelettalen Systems in diesem Bereich führen. Es entstehen Dysbalancen die zu Unbehagen oder Schmerzempfinden führen können. Diese subjektive Selbstwahrnehmung stellt letztendlich das Symptom dar, mit welchem der Patient einen Arzt oder Osteopathen aufsucht.

Eine gestörte Funktion zeigt sich durch gestörte Beweglichkeit der Struktur.

Der Osteopath erspürt mit seinen Händen diese gestörte Beweglichkeit, kann Spannungszustände der Gewebe entdecken und das Ausmaß sowie die Richtung der Unbeweglichkeit erkennen.

Durch die osteopathische Intervention wird der Struktur ihre normale Beweglichkeit in Qualität und Quantität zurückgegeben, mit dem Ziel, die Funktion wiederherzustellen. (Hermanns 2007)

  

 

Literaturverzeichnis

Hermanns, Wim (2007): [Hippokrates] Hermanns – GOT – Ganzheitliche Osteopathische Therapie (2007). 

Hinkelthein, Edgar; Zalpour, Christoff (2012): Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie.

Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642-20740-2.

Schweitzer, Rudolf (2011): Die Heilpraktiker-Akademie.

1. Aufl. s.l.: Urban Fischer Verlag – Lehrbücher. Online verfügbar unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1721741.

VOD (2019): Was ist Osteopathie? Online verfügbar unter https://www.osteopathie.de/osteopathie-was_ist_osteopathie, zuletzt aktualisiert am 10.05.2019, zuletzt geprüft am 10.05.2019.